Manche nennen es eine Revolution, andere sehen gar eine komplette Neuorientierung des Internets voraus: AI (Artificial Intelligence) bzw. KI (Künstliche Intelligenz) ist wieder in aller Munde. Und es ist bereits jetzt klar: AI wird das Internet langfristig verändern.
Auch für SEO ist das Thema sehr relevant, denn mit neuartigen Programmen wie beispielsweise ChatGPT können auch längere und komplexe SEO-Texte theoretisch in Sekundenschnelle erschaffen werden. Wird Content mit einem Schlag vom Flaschenhals zur schnell produzierten Massenware?
In diesem Beitrag möchte ich dir nahelegen, warum ich Künstliche Intelligenz für SEO kritisch sehe.
Was können AI-Tools wie ChatGPT eigentlich?
„ChatGPT ist ein tolles Programm, weil es in der Lage ist, menschenähnliche Konversationen zu führen und dabei auf eine Vielzahl von Themen und Fragen einzugehen.
Es verwendet maschinelles Lernen und natürliche Sprachverarbeitung, um seine Antworten zu generieren, was bedeutet, dass es in der Lage ist, sich an neue Themen anzupassen und immer besser zu werden, je mehr es genutzt wird. ChatGPT ist auch in der Lage, menschenähnliche Emotionen und Persönlichkeiten darzustellen, was es zu einem idealen Werkzeug für die Interaktion mit Benutzern macht.
Alles in allem ist ChatGPT ein leistungsstarkes und nützliches Programm, das für viele verschiedene Anwendungen genutzt werden kann.“
Na, ist dir etwas aufgefallen? Die Ausführungen in Anführungszeichen sind allesamt von einer Künstlichen Intelligenz erstellt. Ich dachte mir, es ist doch nur passend, wenn ich die AI selbst ihre Vorzüge auflisten lasse.
Eigentlich trifft es ChatGPT hier schon auf den Punkt. AI ist so mächtig, weil sie sich ständig weiterentwickelt, immer besser wird. Und zwar mit jeder Nutzung.
Und immer mehr stößt AI auch auf Felder vor, die für die längste Zeit als Bastion des menschlichen Schöpfungsdrangs galten: Kreative Dinge wie das Schreiben von Texten oder das Malen bzw. Zeichnen von Bildern.
Was macht ChatGPT im Speziellen so besonders?
Das Jahr 2022 wird sicherlich als einer der Wendepunkte für die Entwicklung Künstlicher Intelligenz im Alltag eingehen. Und ich bin überzeugt, ChatGPT von OpenAI wird einen großen Anteil daran haben.
Es liegt jedoch nicht daran, dass das Tool das erste seiner Art ist. AI-generierte Texte gab es schon davor. Was ChatGPT jedoch zum ersten Mal perfektioniert, ist die „konversationale“ Steuerung. Du „unterhältst“ dich mit ChatGPT im Prinzip wie mit einem Menschen.
Das hat noch kein anderes Programm bislang so gut geschafft. Und genau dieser Aspekt ist es, der viele Menschen so begeistert. Es wirkt so natürlich, es ist alles im Fluss. Aus meiner Erfahrung mit anderen KI-Programmen weiß ich, dass diese in der Anwendung oft sperrig sind. ChatGPT ist dagegen Texter, Coder, persönlicher Assistent und Alleinunterhalter zugleich.
Es erfindet kein Konzept neu, aber es verpackt sie vielleicht das erste Mal in eine polierte Verpackung. Es ist „rund“. Es „läuft“.
Ein bisschen erinnert mich das Ganze an den Film „Her“ mit Joaquin Phoenix (Empfehlung meinerseits) und ich behaupte, wir sind von der Situation dort gar nicht mehr so weit entfernt.
Was sind die möglichen Folgen?
Die Folgen von weitverbreiteter Künstlicher Intelligenz sind meiner Meinung nach gravierend. Ich möchte nicht auf jede Nuance eingehen, aber die wichtigsten (möglichen) Folgen skizzieren.
AI wird mit Sicherheit unseren Alltag langfristig revolutionieren. Sie ist disruptiv und in vielerlei Hinsicht geradezu unschlagbar. Unschlagbar schnell, unschlagbar günstig, unschlagbar lernfähig.
Damit ist sie aber auch eine direkte Bedrohung.
Einerseits für kreative Berufe. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass beispielsweise Illustratoren und andere Künstler es wahrscheinlich sehr schwer haben werden, sich gegen Künstliche Intelligenz durchzusetzen.
Ich möchte damit keine Debatte starten, welche Kunst „besser“ ist. Oder ob AI jemals den kreativen Funken der menschlichen Seele imitieren kann. Ich glaube, hier wird der Mensch ultimativ die Nase vorne haben. Das ist jedoch für die meisten Künstler wahrscheinlich nur ein schwacher Trost.
Künstler leben von Aufträgen. Und Aufträge sind sehr oft sehr schnöde Sachen wie eben Bilder auf Bestellung. Für Websites, CD-Cover, Videoprojekte, Booklets, Bücher oder Unterhaltungszwecke… die Liste ist endlos. Hier geht es nicht darum, ein „ultimatives Kunstwerk“ zu erschaffen, sondern dem Auftraggeber etwas zu liefern, dass diese:r für sein/ihr Projekt nutzen kann – zu einem vertretbaren Preis.
Künstliche Intelligenz ist extrem schnell und günstig. Du kannst ein Bild in Sekunden erschaffen lassen. Und wenn es dir nicht gefällt, kannst du es so lange neu versuchen lassen, bis es dir gefällt. Welcher Mensch kann da mithalten? Vor allem zu einem Preis, der Größenordnungen niedriger als der gängige Marktpreis für Commissions ausfällt.
AI ist aber auch eine Bedrohung für Services wie beispielsweise Google und andere Portale, in denen Menschen nach Informationen suchen. Das Prinzip hinter Google hat sich in den letzten 20 Jahren eigentlich kaum verändert. Du gibst einen Suchbegriff ein und die Suchmaschine zeigt dir eine Liste von Ergebnissen an.
Die Interaktion mit ChatGPT kommt aber viel näher an das heran, was wir Menschen als „natürlich“ empfinden. Wir kommunizieren mit dem Programm wie mit einem Menschen. So wie es beispielsweise schon mit Siri funktioniert.
ChatGPT verarbeitet die Informationen, die es findet, und gibt sie weiter, wie es ein Mensch tun würde. Es gibt keine „Suchergebnisseite“ mehr, auf der Anzeigen ausgespielt werden könnten. Und das ist eine direkte Bedrohung unter anderem für Googles Geschäftsmodell.
Darum ist Künstliche Intelligenz für SEO so interessant
Suchmaschinenoptimierung (SEO) hat viele Facetten. Aber ein zentraler Aspekt, der bei jeder langfristig ausgelegten SEO-Strategie im Fokus steht, ist Content. Inhalte, nach denen Menschen suchen und die sowohl Mensch als auch Suchmaschine begeistern.
Content zu erstellen, ist dabei der Flaschenhals. Wenn es möglich wäre, würde jeder SEO-Experte mit einem Schlag jedes mögliche Keyword bedienen. Content ist jedoch teuer und zeitaufwändig, denn am Ende muss sich ja ein Mensch hinsetzen und texten. Am besten nach umfangreicher Recherche.
ChatGPT dagegen spuckt fertige Texte nach ein paar Sekunden Wartezeit aus. Und jeder Text ist praktisch gratis. Ähnlich wie bei den Bildern, eine Value Proposition, die unschlagbar erscheint. Ein teurer Flaschenhals ließe sich mit einem Schlag eliminieren.
Und die Möglichkeiten reichen ja sogar noch weiter. Künstliche Intelligenz könnte lernen, die Lesegewohnheiten von Menschen besser zu verstehen. Oder gar den Ranking-Algorithmus von Google. Sie könnte eines Tages Texte verfassen, die bis ins kleinste Detail optimiert sind – hunderte oder tausende am Stück.
Sorry, dass ich euch den Hype abdrehen muss
Ja, das klingt alles wunderbar. Fast schon zu schön, um wahr zu sein. Und, leider, ist das aus meiner Sicht auch so. Denn meistens ist der Wunsch der Vater des Gedankens.
Und in diesem Fall sind es die Dollarzeichen in den Augen vieler SEOs, wenn sie daran denken, dass sie de facto unendlich viel Content de facto umsonst produzieren können. Ein neues Zeitalter, in dem sie jetzt an der Speerspitze stehen können.
Jetzt kommt das große Aber:
ChatGPT ist sehr mächtig, keine Frage. Es erstellt Texte, die auf den ersten Blick ganz „gewöhnlich“, eben menschlich, wirken. Auf den zweiten Blick entpuppen sich jedoch die Schwächen, die auch die größten AI-Fans nicht wegreden können.
Ein guter Text hat eine Story, er erzählt eine Geschichte. Es gibt einen roten Faden, an dem er sich entlanghangelt. Eine Story ergibt sich aus den Gegebenheiten, über die gesprochen wird. Es ist die Kunst, aus Fakten etwas zu weben, das nicht nur informiert, sondern auch unterhält.
Geschichten erzählen nicht alle Künstlichen Intelligenzen gleich gut. Einige Tools, die ich kenne, sind sehr schwach darin. Sie wiederholen sich ständig und können nur zersplitterte Absätze produzieren, die untereinander kaum in Verbindung stehen. ChatGPT ist in der Hinsicht etwas besser. Aber auch ChatGPT kommt in die Bredouille, echten Mehrwert zu produzieren.
Denn Mehrwert basiert auf Wissen. Auf Fakten. Auf Erfahrung. AI-Tools bedienen sich des Internets für ihre Recherche. Aber sie wissen nicht, was wahr ist und was nicht. Gerade Fakten sind daher die größte Schwäche der „intelligenten Alleskönner“. Welch Ironie.
ChatGPT beispielsweise webt gerne unverfroren blanke Lügen oder kompletten Unsinn in die Texte ein. Andere Tools lassen es mit den Fakten lieber ganz sein und reden um den heißen Brei herum. Das Ergebnis ist entweder Quatsch mit Soße oder ein Haufen von Füllwörtern ohne echten Inhalt.
Und klar, man kann diese Texte hinterher noch per Hand verändern. Theoretisch kann das immer noch effizienter sein, als einen Text komplett selbst zu schreiben. Aber wenn ein Text schon im Kern auf falschen Gegebenheiten aufbaut oder sogar nur auf der Aneinanderreihung von Floskeln, wie kann man dann hinterher ohne großen Aufwand eine Story konstruieren, ohne den Text von Grund auf neu zu gestalten?
Und wenn man den Text kernsanieren muss und die Recherche von Fakten und Hintergründen auch nicht ersetzt werden kann, warum dann nicht gleich einfach recherchieren und selber schreiben?
Tatsächlich dauert das eigentliche Schreiben von Texten für Profis gar nicht so lange. Die meiste Zeit geht in die Recherche.
Aber das ist nicht der einzige Grund, warum ich Künstliche Intelligenz derzeit im Bereich SEO kritisch sehe. Ein anderer sehr schwergewichtiger Grund ist, dass Künstliche Intelligenz trotz aller Bemühungen um Natürlichkeit immer noch als Urheber identifiziert werden kann (ironischerweise von anderen AIs).
AI-Tools verraten sich durch ihren eigenen Stil. Du kannst mithilfe von Tools mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit sagen, ob ein Text von einer AI produziert ist oder nicht. Und das kann Google auch. Und Google haben bereits angekündigt, dass reine AI-Texte es in der Suchmaschine schwer haben werden. Auch hier müsste man also Hand anlegen, um sie zu „vermenschlichen“. Wie viel? Das ist nicht bekannt.
Ich glaube eines Tages wird Künstliche Intelligenz so weit sein, dass man ihre produzierten Werke nicht mehr von denen eines Menschen unterscheiden kann. Aber das kann noch sehr lange Zeit dauern.
In der Zwischenzeit wird AI trotzdem das Internet revolutionieren. Aber bei SEO bin ich sehr skeptisch, dass es in den nächsten Jahren bereits zu greifbaren Erfolgen verhelfen wird. Vielleicht kurzfristig, bis Google entsprechend reagiert hat. Aber wer meint, alle seine Texter nun mit der AI ersetzen zu können, wird wahrscheinlich mittelfristig damit auf die Nase fallen.
Ich lasse mich aber auch gerne vom Gegenteil überzeugen.
Update November 2023: Mittlerweile hat Google eine Kehrtwende vollzogen: Inhalte werden nicht automatisch abgestraft, nur weil sie von einer AI geschrieben wurden. Lediglich die Qualität des Inhalts soll zählen und das scheint nach ersten Erkenntnissen tatsächlich zu stimmen. Damit erübrigt sich der letzte Teil meiner Kritik. Mein Hauptpunkt bleibt jedoch weiter bestehen, denn auch wenn ChatGPT sich ebenfalls weiterentwickelt hat, sind hochwertige Texte von Menschen erstellt immer noch besser, wenngleich sie weniger einfach skalierbar sind.
Es haben jedoch auch einige SEOs bereits große Erfolge mit größtenteils automatisierten Texterstellungen gefeiert – zumindest nach eigener Aussage. Ich muss meine Kritik also insgesamt etwas relativieren. Es ist jedoch weiterhin aus meiner Sicht unbedingt nötig, AI-Texte vor der Veröffentlichung umfangreich zu editieren. In jedem Fall ist das Unterfangen kein Selbstläufer, wie es manche darstellen. Ohne AI wird Erfolg langfristig nur schwer vorstellbar sein, aber die richtige Nutzung wird der Schlüssel dafür sein. Im Moment kann AI bereits definitiv eine Hilfestellung sein, Impulse liefern und zum Beispiel dabei helfen, Texte für andere Plattformen zu paraphrasieren.
Wer sich die Vorteile von Künstlicher Intelligenz zu jedem gegebenen Zeitpunkt der Entwicklung am besten zu eigen macht, wird einen riesigen Wettbewerbsvorteil genießen, davon bin ich absolut überzeugt.